Freitag, 22. Mai 2015

„Blumenkinder“ im Theater Brandenburg

Foto: bacoo-pix.de

Das Hippie-Musical „Blumenkinder“ hatte am 18. April 2015 Premiere im Theater Brandenburg. Auch wenn mich die Flower-Power in jungen Jahren nur noch in ihren Ausläufern erreichte, mich hat sie doch auch ein Stück weit geprägt. Die Brandenburger Inszenierung war ein guter Anlass für eigene Reflexionen und einen Blick zurück. Schön, dass ich Gelegenheit hatte das gemeinsam mit dem Autor von „Blumenkinder“, Clemens Fuesers, zu tun:

Z.M. Bauer: Herr Fuesers, Sie sind Jahrgang 1955. (Wie) haben Sie die Hippiezeit erlebt?

C. Fuesers: Ich habe mich immer geärgert, dass ich ein paar Jahre zu spät geboren wurde. In der Blüte der Hippiezeit war ich 13 – 15 Jahre. Da durfte ich nicht überall dabei sein. Meine Eltern hätten mich nie allein nach Woodstock oder zum Festival auf die Insel Fehmarn fahren lassen. Zum Glück gab es in meiner Stadt an der holländischen Grenze eine ausgeprägte Hippielandschaft mit vielen Bands, auch vielen Landkommunen im Umfeld. Ich war immer, wo es ging, mittendrin. Die Hippiehauptstadt Europas, Amsterdam, lag quasi vor der Haustür. Oft bin ich hin getrampt oder mit dem Mofa hingefahren, saß dann mit den Blumenkindern am Dam und ließ den Joint kreisen, geschlafen wurde im Vondel Park oder auf einem Hausboot. Und die Nederlands meisjes waren ja auch sehr offen für alles. Es war herrlich.

Z.M. Bauer: Sie sind Autor des Hippie-Musicals „Blumenkinder“, das zurzeit im Rahmen der Bundesgartenschau im Brandenburger Theater zu sehen ist. Verstehen Sie sich auch als eine Art Chronist dieser selbsterlebten Zeit?

C. Fuesers: Es gibt andere Chronisten, die näher dran waren, insbesondere in den USA, wo die Hippiebewegung am stärksten war. In diesem Fall, also in Brandenburg, musste ich die Rolle des Chronisten übernehmen. Denn ich bin hier der einzige Zeitzeuge (abgesehen vom Videokünstler Terry Rudat). Alle Beteiligten sind entweder zu jung, oder aus der DDR bzw. UDSSR.

Z.M. Bauer: Die Flower-Power der Hippiekultur war ein schillernder Mix aus psychedelischer Realitätswahrnehmung und realpolitischem Protest. Aus fernöstlicher Idealisierung und westlicher Autoritätsverweigerung. Aus Konsumkritik und freiem Drogenkonsum und vielem mehr. Wie und warum sollte man diese so vielschichtige Protestkultur Ihrer Meinung nach in ein 120 minütiges Unterhaltungsformat bringen?

C. Fuesers: Wie? Ganz einfach, alle unsere Charaktere verkörpern eine der Richtungen. Da steht politischer Protest neben künstlerischem Ausdruck, neuer Musik und innerer Einkehr. Da bleibt Konkurrenz nicht aus. Musikalisch wird das im Stück in einem Gesangsduell ausgedrückt: „Spirit in the Sky“ contra „Eve of Destruction“. Natürlich kann man die vielschichtigen Entwicklungen und unterschiedlichen Ausrichtungen der Hippiezeit in einem 2stündigen Stück nur anreißen, aber warum sollte es da nicht mit viel Humor zugehen? Die Hippies hatten bei allem politischen Engagement viel Humor und machten lustige Sachen. Höherer Blödsinn war das Motto der Spaßguerilla. Ganz ernst geht das überhaupt nicht, die Musik macht einfach Laune.

Z.M. Bauer: „Blumenkinder“ gastiert bis zum 31. Mai im Theater von Brandenburg und geht später auf Tournee. Inszeniert wurde das Musical von Theatermachern, die aufwuchsen in einem weltanschaulich geteilten Deutschland. Haben die unterschiedlichen Lebensumstände im Team den Blick auf die Ära Flower-Power und damit die Inszenierung geprägt?

C. Fuesers: Absolut. In der Inszenierung erkennt man deutlich Bezüge zum epischen Theater, wie es Brecht in der DDR propagiert hat. Undenkbar bei „Hair“ oder „Jesus Christ Superstar“. Wahrscheinlich eine Reminiszenz, ein Zugeständnis an das hiesige Publikum.

Z.M. Bauer: Ein konstituierendes Element der Woodstock-Generation war die Musik. Das Musiktheaterspektakel „Blumenkinder“ besticht nicht zuletzt durch seine überzeugende Auswahl an Hits der damaligen Zeit und durch seine ausgezeichnete Live-Präsentation durch die Bühnenband unter der Leitung von Dmitiri Pavlov. Welche Rolle haben Sie dabei gespielt?

C. Fuesers: Alle Titel habe ich ausgewählt. Erstens, weil das meine Aufgabe war, und zweitens, weil ich alle Titel zu Hause im Regal stehen habe. Meine Kollegen waren sich einig, dass ich mich mit der Musik jener Zeit am besten auskenne, habe wohl noch den Beat im Blut.

Z.M. Bauer: Peace, Love und Happiness hatten auch Ihr visuelles Erscheinungsbild. Damals Ausdruck einer politischen Haltung, sind heute lange Haare und Outfits im Flowerchild-Look bestenfalls noch Style. Was sollten Ihrer Meinung nach Bühnenbild und Kostüm vermeiden, um nicht belanglos daherzukommen?

C. Fuesers: Bei einem so schmalen Budget für Bühne und Kostüm muss man Abstriche machen. Ich hätte mir auch mehr (am liebsten echte) Hanfpflanzen gewünscht, und ein bisschen mehr „freie Liebe“. Einen Fauxpas konnte ich verhindern; nämlich Krawatten als Stirnbänder. Ein No-Go.

Z.M. Bauer: Batiken, Nähen, Stricken, Sticken... Handgemachtes war ein kritisches Statement der "Anti-Establishment Generation" der 60er gegen eine normierende Massenindustrie. Heute firmiert unter dem Stichwort DiY (Do-it-Yourself) und Bausteln (Basteln & Bauen) in der „Generation Internet“ abermals Handgefertigtes als Gegenentwurf zu einer nunmehr globalisierten Konsumgesellschaft. In Ihrem Stück lernen junge Menschen vom Beispiel der Hippie Großeltern-Generation. Was können junge Besucher von Ihrem Stück lernen?

C. Fuesers: Die Hippies haben sich als erste der Konsumgesellschaft verweigert, ohne die Pioniere gäbe es heute keinen Fair-Trade. Das haben wir von ihnen gelernt. Ebenso bleibende Werte wie Auflehnung gegen Autoritäten, Pazifismus, Gemeinschaftssinn, Mitgefühl, Solidarität. Und überhaupt: die Musik war einfach besser als heute.

Z.M. Bauer: Herr Fuesers, ich danke für dieses Interview.

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Na? Neugierig geworden, Flower-Power Veteranen und jugendliche Fans? Ihr habt diese und kommende Woche noch Gelegenheit zu einem Flower-Power Trip ins Theater Brandenburg:

Termine 2015
18. April um 19.30 Uhr (Uraufführung zur Eröffnung der BUGA) Ausverkauft! 24./ 25. April, jeweils 19.30 Uhr 01. / 02. / 15. / 16. / 22. / 23. / 29. / 30. Mai, jeweils 19.30 Uhr und 31. Mai um 15.00 Uhr

Spielort
Brandenburger Theater (Studiobühne), Kanalstraße, 14776 Brandenburg an der Havel

Infos unter
http://www.brandenburger-klostersommer.de/index.php/programm/stuecke/179-blumenkinder